Tagblatt Zürich - Vorschau vom 16.01.2019
ZüriTipp - Vorschau vom 17.01.2019
TanzNachTisch - Aufführungsimpressionen von Evelyn Klöti
Von Mann zu Mann zu Mann
Bericht von Evelyn Klöti
Tina Mantel #mann tanzt Kulturmarkt 26. Januar 2019 (Premiere am 23. Januar)
Ode an die Freundschaft
Tina Mantel zeigt im Zürcher Kulturmarkt, was Männer so machen, wenn sie unter sich sind. „Von Mann zu Mann zu Mann“ ist bereits die dritte Produktion der Gruppe #manntanzt und die wärmste und bunteste.
„Men only“ lautet die Devise auf der Bühne, und „Für Männer mit Bewegungslust jeden Alters“ ist das Tanztraining, das Tina Mantel seit Jahren anbietet. Bei den acht Laientänzern, etwa 40 aufwärts, die sich neben Arbeit und Familie an ein Stück wagten, haben Improvisation und Körperschulung in der Tat Erstaunliches zutage gebracht.
Angestachelt und getragen von den Klängen und Beats des Mundharmonika-Virtuosen Daniel Hildebrand – diskret präsent am Bühnenrand -, entfaltet sich das erste Solo, lockt die Gruppe an. Weich und fliessend sind die Bewegungen, das Postmodern-Geschlenker ist nicht zu übersehen. Kein Mann tanzt so verspielt und selbstvergessen im Club, geschweige denn auf der Strasse. Alle sind sie mutig im individuellen Ausdruck, und es braucht Zeit, sich an allen Körpern und Gesichtern satt zu sehen. Wie alt ist dieser Grosse? Was macht jener wohl im Leben? Eine Krawatte hat sich jeder Mann einmal umgebunden, aber einen Karate-Gurt als Schlips?
Wie Männer Beziehungen tanzen, präsentiert sich als dramaturgisch geschickt aufgebautes Spiel der acht bunt gekleideten Männer mit den farbigen Gürteln. Da werden – Grüezi! – Begrüssungsrituale inszeniert und Hierarchien humorvoll unterlaufen. Man(n) umarmt sich flüchtig, klopft sich auf die Schulter – im Alltag ist das meist das Maximum an Körperkontakt. Auf der Bühne aber ist zum guten Glück alles erlaubt und führt mitunter schmerzhaft vor Augen, was im Leben, in der Geschäftswelt, halt einfach nicht geht. Zum Beispiel innige Umarmungen, einen verführerischen Tango, aneinander gefesselt mit einem Karate-Gurt, spielerische Hahnen-Kämpfe und entfesselte Tänze im Kreis.
Dazwischen Texte über den besten Freund – und wie man zu ihm steht. „Fründ? Oder Fründ-Fründ?“ Das ist eine der vielen Fragen. Ein Mann, der sich ohne Worte – Telepathie! – mit seinem Kindergarten-Freund versteht, aber auch einer, der mit seinem besten Freund Geschäftsideen ausheckt, aber doch nicht zusammen „geschäftet“, weil sonst die 30-jährige Freundschaft Gefahr liefe, auseinander zu brechen. Ein anderer erzählt vom frühen Verlust seines besten Freundes, der Schmerz darüber ist heute noch zu spüren. Weh tut es auch, wenn ein Senior seine Erinnerungen an das Mann-Werden – „Chind, us dir wird nüt“ – ins Publikum wirft.
Das alles könnte schief gehen und in die „Selbsterfahrungstrips in Manager-Seminaren“-Ecke abdriften. Tut es nicht. Im Gegenteil. Denn die Laientänzer befinden sich in professionellen Frauenhänden. Das Vertrauen in Choreografin Tina Mantel und Regisseurin Delia Dahinden ist immer spürbar. Live-Musik, Licht (Antje Brückner) und Kostüme (Natalie Péclard) verleihen dem Stück eine warme Atmosphäre, die berührt und beglückt – und die im Theater nicht oft anzutreffen ist.
Wie gut „Von Mann zu Mann zu Mann“ beim Publikum ankommt, zeigte sich nicht nur in den drei ausverkauften Vorstellungen im Kulturmarkt, sondern auch an den Reaktionen der Zuschauer*innen beim „Tanznachtisch“ am Samstag, 26. Januar. In die Begeisterung angesichts der Ausdruckskraft und des Muts der Performer mischten sich auch Melancholie und Trauer, weil es im Leben eben nicht so frei und innig zu und her geht unter Männern, leider immer noch nicht. Und wie viel einfacher es doch wäre, wenn man(n) sich doch einfach einmal in den Arm nehmen könnte.
Tanz:
Hanspeter Blatter, Eduard Colomer, Edgar Frey, Mark Froesch, Peter Knöpfel, Winu Schüpbach, Lars Sommer, Remo Wiegand